
Wer regelmäßig hochwertigen Kaffee trinkt, kennt das Gefühl: Manche Bohnen schmecken fruchtig und lebendig, andere eher schokoladig, nussig oder sogar weinartig – doch oft bleiben diese Eindrücke vage. Vielleicht fällt dir auf, dass dir manche Kaffees besonders gut gefallen, aber du weißt nicht genau, warum. Eine Kaffeeverkostung – im Fachjargon Cupping genannt – hilft dir, diese Unterschiede besser zu verstehen.
Cuppings sind standardisierte Verfahren, mit denen Kaffeeprofis weltweit die geschmacklichen Eigenschaften eines Kaffees beurteilen: von der Frische der Bohne bis zur Balance im Geschmack. Das Gute: Du brauchst kein Labor, kein Barista-Diplom und keine professionelle Ausstattung. Mit ein wenig Vorbereitung kannst du zu Hause selbst eine Kaffeeverkostung durchführen, die nicht nur Spaß macht, sondern deinen Kaffeegeschmack schärft – dauerhaft.
In diesem Beitrag erfährst du:
- Wie ein Cupping funktioniert
- Was du dafür an Equipment brauchst
- Wie du die Verkostung Schritt für Schritt aufbaust
- Worauf du achten musst, um faire und vergleichbare Ergebnisse zu bekommen
Wie wird Kaffee professionell verkostet? – Das Prinzip des Cuppings
Das sogenannte Cupping ist eine Methode, die ursprünglich aus der Qualitätskontrolle im Kaffeehandel stammt. Sie wird genutzt, um Röstungen, Anbaugebiete oder Erntechargen systematisch zu bewerten – auf möglichst neutrale Weise. Im Gegensatz zu Espresso oder Filterkaffee wird der Kaffee beim Cupping nicht gefiltert oder gepresst, sondern lediglich mit heißem Wasser übergossen und direkt aus dem Glas verkostet.
Das Ziel ist es, den Charakter des Kaffees möglichst unverfälscht zu erkennen. Es geht also nicht darum, den „besten“ Kaffee zu finden, sondern die feinen Unterschiede zu schmecken – in Aroma, Körper, Säure, Süße und Nachgeschmack.
Typischerweise umfasst ein professionelles Cupping mehrere Phasen:
- Der Duft des frisch gemahlenen Pulvers (trockenes Aroma)
- Der Duft nach dem Aufgießen (nasses Aroma)
- Der Geschmack bei verschiedenen Temperaturen
- Die Beurteilung von Textur, Mundgefühl, Komplexität und Nachgeschmack
Ein solches Format lässt sich mit etwas Übung auch wunderbar zu Hause umsetzen – sei es allein oder mit Freunden.
Welches Equipment brauchst du für ein Cupping zu Hause?
Für eine Kaffeeverkostung zu Hause brauchst du kein Barista-Setup oder Laborbedingungen – aber ein paar durchdachte Werkzeuge helfen dir, die Aromen systematisch und vergleichbar zu erfassen. Wichtig ist: Das Equipment sollte dir eine saubere, reproduzierbare und neutrale Verkostung ermöglichen, bei der du dich auf den Kaffee konzentrieren kannst – nicht auf technische Variablen.
Hier ist, was du brauchst – mit praktischen Empfehlungen und Tipps:
1. Kaffee – am besten mehrere Sorten im Direktvergleich
- Ideal: 2–5 verschiedene Kaffees, z. B. aus verschiedenen Herkunftsländern oder Röstungen (hell/mittel/dunkel).
- Ganze Bohnen sind Pflicht, damit du frisch mahlen kannst. Je frischer die Bohnen (max. 4–6 Wochen nach Röstung), desto aussagekräftiger ist das Ergebnis.
Tipp: Achte auf Single Origin-Kaffees für deutliche sensorische Unterschiede.
2. Kaffeemühle – einstellbar, zuverlässig und gleichmäßig
- Eine Handmühle mit einstellbarem Mahlgrad ist für den Heimgebrauch optimal (z. B. 1Zpresso, Timemore, Hario Skerton).
- Der Mahlgrad sollte grob sein (ähnlich wie bei French Press), aber gleichmäßig – feine und grobe Brösel führen zu unausgewogener Extraktion.
Wichtig: Für alle Proben muss exakt der gleiche Mahlgrad verwendet werden.
3. Digitale Feinwaage – für präzise Dosierung
- Du brauchst eine digitale Waage, die auf 0,1 g genau wiegt.
- Die Standardmenge beim Cupping ist 12 g Kaffee pro 200 ml Wasser – diese Ratio sollte für alle Proben exakt eingehalten werden.
Tipp: Wenn du regelmäßig Kaffee zubereitest, lohnt sich eine Waage mit Timer-Funktion.
4. Heißes Wasser – in der richtigen Temperatur
- Optimal ist Wasser mit 94–96 °C. Das erreichst du mit einem Wasserkocher ohne Temperaturanzeige, indem du es nach dem Kochen 30 Sekunden stehen lässt.
- Ideal: Verwende gefiltertes, kalkarmes Wasser – es wirkt sich deutlich auf Geschmack und Klarheit aus.
5. Cupping-Gefäße – identische Tassen oder Gläser
- Wichtig: Alle Tassen sollten gleich groß und möglichst aus dem gleichen Material (z. B. Keramik oder Glas) sein.
- Fassungsvermögen: ca. 180–220 ml
- Jede Sorte bekommt ihre eigene Tasse – markiere sie eindeutig (z. B. mit Klebeband oder Zahlen).
6. Timer oder Stoppuhr – für exakte Ziehzeiten
- Beim Cupping ist Timing entscheidend. Verwende eine Stoppuhr oder Smartphone-Timer, um exakt 4 Minuten Brühzeit einzuhalten, bevor du die Kruste brichst.
- Wichtig: Alle Tassen müssen gleichzeitig aufgegossen und getimt werden.
7. Löffel – zum Brechen, Abschöpfen und Schlürfen
- Idealerweise nutzt du spezielle Cupping-Löffel (aus Edelstahl, tief gewölbt), die genau für diese Verkostungstechnik gemacht sind.
- Alternativ funktionieren auch normale Esslöffel – achte auf neutrale, metallfreie Gerüche (kein Holz, kein Kunststoff).
- Du brauchst mindestens zwei Löffel: einen zum Riechen/Brechen, einen zum Abschöpfen.
8. Bewertungsbögen oder Notizpapier
- Halte fest, was du riechst und schmeckst: Säure, Süße, Bitterkeit, Körper, Nachgeschmack.
- Du kannst standardisierte Cupping-Formulare der SCA nutzen oder einfach eigene Notizen machen.
Tipp: Nutze einen Aromarad oder eine Geschmacksreferenz (z. B. Specialty Coffee Association Flavor Wheel) als Orientierung.
9. Reinigung & Hygiene
- Küchenrolle oder Servietten, um Löffel zwischendurch zu reinigen.
- Eine kleine Schale mit Wasser zum Spülen der Löffel.
Optional: eine separate „Spucktasse“, wenn du nicht alles trinken möchtest – v. a. bei mehreren Runden.
Zeit & Atmosphäre
- Plane dir für ein vollständiges Heim-Cupping mindestens 45–60 Minuten ein.
- Sorge für eine ruhige, geruchsneutrale Umgebung – keine Duftkerzen, keine stark riechenden Speisen.
Optional: Blindverkostung (jemand anderes nummeriert die Tassen), um unbewusste Vorurteile zu vermeiden.

Das Cupping Schritt für Schritt – so geht’s daheim
1. Vorbereitung der Kaffees
Für ein faires Cupping sollten alle Kaffees unter exakt gleichen Bedingungen zubereitet werden. Das bedeutet: gleiche Menge, gleicher Mahlgrad, gleiches Wasser.
- Mahle jede Sorte frisch und gleich grob – etwa wie grobes Meersalz oder French-Press-Mahlung.
- Wiege 12 g pro Tasse ab und gib das Kaffeepulver in separate Tassen oder Gläser.
- Rieche am trockenen Kaffee – was nimmst du wahr? Frucht, Kakao, Holz, Zitrus?
2. Wasser aufgießen und starten
Erhitze Wasser auf etwa 94–96 °C. Gieße dann exakt 200 ml heißes Wasser über das Kaffeepulver in jeder Tasse. Gieße zügig und gleichmäßig, sodass alle Tassen möglichst zur gleichen Zeit fertig sind.
Starte sofort den Timer auf 4 Minuten.
3. Kruste brechen und nasses Aroma riechen
Nach vier Minuten hat sich eine „Kruste“ aus Kaffeepulver auf der Oberfläche gebildet.
Nimm nun einen Löffel und brich die Kruste in jeder Tasse dreimal durch, indem du mit dem Löffel leicht nach unten drückst und den Kaffee sanft umrührst. Dabei steigen intensive Aromen auf – rieche ganz bewusst.
Was verändert sich im Vergleich zum trockenen Duft? Sind neue Noten wahrnehmbar?
4. Schaum und Rückstände abschöpfen
Nimm mit zwei Löffeln oder einem breiten Löffel vorsichtig den Schaum und die schwimmenden Kaffeereste ab. Die Flüssigkeit darunter ist nun klarer und bereit zur Verkostung.
5. Verkosten – mehrfach und bei unterschiedlichen Temperaturen
Jetzt beginnt der spannendste Teil: Das Schlürfen. Ja, wirklich – beim Cupping wird laut geschlürft. Dadurch verteilt sich der Kaffee besser im Mundraum, und du nimmst Aromen intensiver wahr.
Verkoste jede Tasse mehrmals, und zwar bei verschiedenen Temperaturphasen:
- Bei ca. 55 °C: Erste Eindrücke – oft fruchtig, säurebetont
- Bei ca. 45 °C: Aromatisch ausgewogen, Süße und Säure balancieren sich
- Bei ca. 35 °C: Körper, Mundgefühl, Röstaromen werden präsenter
- Kalt (Raumtemperatur): Hier zeigen sich Klarheit oder Mängel – etwa Bitterkeit, Säureüberschuss oder Fehlaromen
Nimm dir Zeit. Wiederhole den Vorgang, reinige den Löffel zwischen den Tassen. Schreibe auf, was du schmeckst – und wie sich die Kaffees voneinander unterscheiden.
Worauf du besonders achten solltest – für Vergleichbarkeit und Fairness
Cupping ist nur dann wirklich aussagekräftig, wenn die Bedingungen für alle Kaffees gleich sind. Schon kleine Unterschiede im Mahlgrad, Wassermenge oder der Ziehzeit können das Ergebnis verzerren. Achte deshalb auf:
1. Gleichmäßiger Mahlgrad
Alle Kaffees müssen identisch gemahlen sein. Unterschiedliche Korngrößen führen zu ungleichmäßiger Extraktion – und damit zu verzerrtem Geschmack. Am besten verwendest du eine präzise Handmühle mit reproduzierbaren Einstellungen.
2. Konsistente Brew Ratio
Die Standard-Brew-Ratio beim Cupping beträgt 12 g Kaffee auf 200 ml Wasser. Arbeite unbedingt mit einer Waage – nicht nach Augenmaß oder Löffeln.
3. Gleiches Wasser, gleiche Temperatur
Verwende möglichst sauberes, kalkarmes Wasser und achte auf eine Temperatur von ca. 94–96 °C beim Aufgießen. Das sorgt für vergleichbare Extraktion bei allen Tassen.
4. Ruhe und Neutralität
Cupping ist keine Kaffeeparty. Versuche, bei der Verkostung möglichst still und konzentriert zu arbeiten. Gerüche von Essen, Parfüm oder Kerzen können deine Wahrnehmung stören. Ideal: neutrales Licht, ruhiger Ort, kein Zucker oder Milch im Spiel.
Fazit: Cupping zu Hause – mehr Achtsamkeit, mehr Geschmack
Eine Kaffeeverkostung zu Hause ist eine besondere Art, Kaffee neu zu erleben. Du wirst nicht nur Unterschiede zwischen Bohnen erkennen, sondern deine eigene Geschmackssprache entwickeln – und bewusster trinken. Was zuerst etwas ungewohnt oder „nerdig“ wirken mag, wird schnell zu einem der spannendsten Teile deines Kaffeegenusses.
Cupping fördert das sensorische Verständnis – und hilft dir, Kaffees nicht nur zu trinken, sondern zu erleben. Du wirst Aromen erkennen, Lieblingsprofile entdecken und künftig gezielter einkaufen. Vielleicht beginnst du sogar, Geschmacksnotizen zu führen, Herkunftsländer zu vergleichen oder Kaffeefreunde zu kleinen Cupping-Runden einzuladen.
Die Investition? Minimal. Die Wirkung? Enorm. Denn wer einmal gelernt hat, wie unterschiedlich Kaffee schmecken kann, wird ihn nie wieder beiläufig trinken. Cupping macht dich nicht nur zum besseren Genießer – sondern auch zum bewussteren Konsumenten.